Nachdem ich von Ägypten zurück gekommen bin, war ich definitiv noch nicht bereit, wieder in das Training einzusteigen. Mein Körpern meine Psyche wollte noch etwas Abstand von der Kletterhalle und den intensiven Trainings. Das einzige was ich mir vorstellen konnte, war tatsächlich das OZ  Training. Vor meinem Urlaub hab ich mit Fabian ausgemacht, dass wir nach meiner Rückkehr an meiner größten Schwäche arbeiten, an den Beinen. Endlich

war die Zeit gekommen sich intensiv mit den Orthesen auseinander- zusetzen und zu schauen was wir aus meinen Beinen und den Orthesen rausholen können.

Da meine Rückkehr an die Kletterwand für mich gerade unmöglich schien, beschlossen wir noch mindesten 14-21 Tage zu pausieren. Dann war da auf einmal ganz viel Freizeit. Wenn die Wochen so durchgeplant sind, kommt es einem schon sehr komisch vor, so viel Zeit zu haben.

Da sich der Herbst in seiner schönsten Pracht zeigte, beschloss ich meine neugewonnene Zeit in der Natur zum verbringen. Ich plante Wanderungen und Zeit zum Felsklettern ein. Da ich noch nicht wusste, was meine Füße so aushalten, plante ich zuerst kurze Strecken. So ging ich zum ersten Mal Chiara´s Standart Gassirunde. Nach der hälfte der Runde war mit klar, die ganze Runde ist noch zu hoch gegriffen. So beschlossen wir am Innbett, welches ich schon seit 6 Jahren nicht mehr begehen konnte, aufzusuchen um ein bisschen Energie zu tanken und mit Chiara zu spielen.

Wir hatten beide sichtlich viel Spaß damit. Irgendwie fühlte es sich fast so an als ob ich nie weg gewesen wäre. Als ob da zu stehen und mit Chiara zu spielen, das Normalste der Welt wäre. Ich war einfach nur Überglücklich. Da sich der Tag doch schon schneller zu Ende neigt als mir lieb ist, machten wir uns eine Stunde später  auf den Heimweg.

Dann war es auch schon soweit meine erste Kraftkammer-Einheit im Olympiazentrum stand auf den Plan. Experimentieren stand an der Tagesordnung. Fabi ist darin ja eh schon mehr als erprobt. Ich hingehen war einfach nur gespannt was wir mit den Orthesen machen können. Wir probierten den Klassiker der Beinübungen, Kniebeugen. Irgendwie konnte ich kein Gleichgewicht finden um wirklich in die Kniebeuge zu kommen. Kurz vor dem Ende der Kniebeuge fiel ich einfach um. Plötzlich kam Fabi mit einem Keil zu mir. Ich sollte mich da drauf stellen, zack ich konnte eine Kniebeuge machen. Eigentlich ganz logisch, ich kann aufgrund der Orthesen meine Knöchel nicht weit genug abbiegen zum eine Kniebeuge durchzuführen. Durch den Keil komme ich aber genau in die richtige Position. Den nächsten Satz versuchten wir dann schon mit der Stange, was mich wieder ein bisschen aus der Komfortzone holte. Aber auch das gelang mir dann recht schnell.

Als nächstes stand, Deadlift am Programm, hier arbeiteten wir sofort mit den Keilen. Diese Übung forderte mich so richtig heraus. Da ich keinen Hüftstrecker habe muss ich irgendwie versuchen den Rücken stabil zu halten den Popo zumindest im Gedanken anspannen und sauber aufstehen. So viele Bewegungen sollten als eine durchgehende schöne Bewegung ausgeführt werden. Wir ihr euch vorstellen könnt, nichts was ich beim erstem Mal hinbekommen werde. Ich verrate euch was nach 3 Wochen arbeite ich immer noch daran, diese Übung sauber auszuführen, aber es wird von Mal zu Mal besser. Ich freue mich schon darauf sie von Anfang bis zum Ende schön und sauber auszuführen.

Zwischenzeitlich durfte ich mal eine Bauchübung machen, was für eine Wohltat. Für alle die es nicht wissen, ich liebe Bauchübungen. Denn hier bin ich richtig stark. Danach hieß es Sidesteps machen. In der Mitte baute Fabi eine leichte Erhöhung auf. Hier hieß es dann Gleichgewicht halten, abwarten bis die Orthesen in der richtigen Position sind und dann steigen. Auch diese Übung war für mich mega komplex. Wobei hier schon die erste Herausforderung darin bestand, dass ich auf einem Bein stehe. Doch diese Übung hab ich nach 3 Wochen schon recht gut im Griff, zur Zeit fehlt mir aber noch ein wenig die Ausdauer um sie bis zum Schluss „sauber“ auszuführen.

Die letzte Übung fällt mir zwar prinzipiell nicht extrem schwer, aber auch hier wäre der Hüftstrecker gefragt. Fabian meinte wir machen diese Übung in der Hoffnung dass er irgendwann versteht, er sollte arbeiten. Siehe da, nach drei Wochen spürte ich zum ersten Mal Ansätze des Hüftstreckers in der Übung. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie glücklich wir darüber waren.

Weiter ging es dann mit einer kleinen Wanderung. Unser Ziel war der Berglsteinersee. Ich kannte die Streck schon, meine Freundin und ich waren schon im Sommer oben und wir haben den See mit dem Rolli erkundet. Diesmal wollte ich ihn zu Fuß erkunden. Wir fuhren auf einen Parkplatz von dem aus wir nur ein kleines Stück bergab gehen mussten, ehe wir am See angekommen waren. Wir mussten also nur die Strecke des halben See´s hinter uns bringen um in dem Restaurant eine Stärkung zu bekommen. Schnell merkte ich meine Grenzen. Bergauf und bergab über Wurzeln zu gehen ist dann doch was anderes als nur Geradeaus am Asphalt zu wandern. Wir beschlossen uns Zeit zu lassen, bauten immer wieder Pausen ein zu Fotografieren und dann waren wir auch schon im Restaurant. Dort stärkten wir uns mit einem kleinen Mittagessen. Danach marschierten wir weiter. Inzwischen war ich warm gelaufen und so beschlossen wir den See nochmal komplett zu umrunden. Was mir auch wunderbar gelang. Nun hieß es nur noch die Steigung zum Parkplatz überwinden. Dabei musste ich wirklich meine letzten Reserven aqwirieren. Oben angekommen war mein Puls irgendwo jenseits von Gut und Böse aber ich habe es geschafft. Meine Beine schmerzten so sehr, dass ich noch beschloss meine Orthesen auszuziehen ehe wir heimfahren. Zu Hause angekommen war ich wohl zum ersten Mal seit Jahren froh um meinen Rollstuhl.

Nachdem das Wandern schon ganz gut funktioniert, hab ich beschlossen, endlich wieder Felsklettern zu gehen und zwar an Orte wo ich mit dem Rolli einfach nicht zukomme. Kurze Zustiege mussten gefunden werden. Mal sehen was ich hier schon hinbekomme. Was soll ich euch sagen, wir hatten ziemlich viele Abenteuer. Von extrem steilen Zustiegen bis hin zu Stiegen ähnlichen Vorrichtungen war alles dabei. Gott sei Dank war ich immer mit Menschen unterwegs die Nerven wie Stahlseile hatten. Anders wär es mir absolut nicht Möglich gewesen, aber ich hatte immer Vertrauen, entweder zu mir selbst, zu meinen Orthesen oder wahlweise auch zu meiner Begleitung. Selten sogar zu allen drei Dingen gleichzeitig aber hey das Leben muss gerockt werden. Der Spaß kam auf keinen Fall zu kurz.

Der schönste Trip war allerdings der Trip in die Ewigen Jagdgründen. Knapp vor meinem Unfall war ich einmal dort und kletterte die „EL SHUPPO“ diese Route fand ich damals schon so schön und spannend, dass ich umbedingt nochmal hierhin zurück wollte. Nachdem die Aufwärmroute schon ziemlich an meinen Nerven zerrte, musste ich noch zwei andere Routen bestreiten ehe ich mich wohl genug fühlte um in die EL SHUPPO einzusteigen. Was soll ich sagen, nachdem ich sie einmal ausheckte konnte ich sie im zweiten Versuch senden. Die Freude war rießengroß. Ich hätte mir auch nie gedacht, dass ich mich nach meinem Unfall noch einmal so wohl fühlen könnte am Fels. Aber ich habe es geschafft. Ich bin wieder zurück in diesem Feeling, der Fels ist eine ganz besondere Konstellation die einem so schön endschleunigen kann, wo man aber dann dennoch „hart“ Arbeiten kann.

Nachdem ich mir wieder so wohl fühle kommt mein Traum, nochmal zurück an meinen Unfallort zu kommen, in greifbare Nähe. Jetzt weiß ich, dass ich Mental bereit dazu bin. Nun muss ich nur noch alles vorbereiten um einen Sicheren Trip daraus zu machen.

Nachdem ich weiter hart an meinen Beinen arbeitete waren dann auch schon längere Wanderungen möglich. So konnte ich zum ersten Mal seit 10 Jahren wieder die Glungezer Bergwelt bewundern. Hierzu fuhren wir mit der Gondel bis zur Bergstation und wanderten um dem Zirbensee von dort zur Kapelle und wieder zurück.

Eine weitere Wanderung war der Piburger See. Den halben See kannte ich schon mit dem Rolli allerdings kann man da nur den halben See befahren, der Rest ist nicht barrierefrei. Der Rundwanderweg ist wirklich wunderschön, hat immer wieder kleine Steigungen drin die dann wieder nach unten gingen, man musste ab und zu einen ziemlich Wurzeligen Weg hinter sich bringen aber es funktionierte schon fast von Selbst. So haben wir die 3,5 km dann in zweieinhalb Stunden bewandert. Extrem stolz, überglücklich und ziemlich k.o. kamen wir dann beim Auto an. Aber nach solchen Wanderungen freute ich mich wieder auf meinen Rolli. Ich glaube diese Tatsache wird mir wohl noch einige Zeit erhalten bleiben.

Der Herbst war für mich einer der schönsten, seit Jahren. Ich konnte die Natur in so vielen neuen/alten Facetten sehen und bestaunen. Ich durfte wiedermal über meine Grenzen hinauswachsen und wurde regelmäßig belohnt.

Nun war ich bereit, wieder in den Trainingsalltag einzusteigen, mal sehen wohin ich im Frühjahr wandern kann, denn das Orthesentraining geht natürlich weiter…..

 

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