23. September – 7 Jahre danach

September 23, 2025by Jasmin Plank1

 

23. September – 7 Jahre danach

Genau heute vor sieben Jahren.
Es sollte einer der schönsten Tage meines Lebens werden.
Meine erste Mehrseillänge in den Dolomiten – ein unbeschreibliches Erlebnis, voller Vorfreude und dem Gefühl: Jetzt beginnt ein neues Kapitel.

Und das tat es.
Aber nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte.


Ein Tag, der alles veränderte

Der 23. September 20XX ist für mich unvergessen geblieben.
Nicht, weil mein Klettertraum in Erfüllung ging, sondern weil dieser Tag mein Leben auf den Kopf stellte.

Es sollte ein großes Abenteuer werden.
Stattdessen wurde es zu meinem größten Lehrmeister.
Ein Moment, der mich mitten aus dem Leben riss – mit voller Wucht, ohne Vorwarnung.

Ich hatte schon vorher eine körperliche Einschränkung und tief in mir wusste ich, dass mein Leben wohl anders verlaufen würde als das vieler anderer.
Aber da war diese Stimme in mir – die sagte:
„Mach einfach weiter. Dein Leben ist nicht vergänglich. Es wird schon gut gehen.“

Und ich hörte auf diese Stimme.
Ich lebte weiter auf der Überholspur.
Ich arbeitete härter denn je, gönnte mir keine Pausen, funktionierte, kämpfte, rannte.
Bis zu diesem Tag.


Vom Hochleistungsleben zum Stillstand

Der Unfall veränderte alles.
Von der erfolgreichen Powerfrau, Herzblut-Pädagogin und leidenschaftlichen Leistungssportlerin –
zur Frau im Rollstuhl, die plötzlich nicht einmal mehr alleine zur Toilette gehen konnte.

Mein Selbstwertgefühl war am Boden.
Alles, was ich über mich zu wissen glaubte, schien zu zerbrechen.

Aber dann war da wieder diese Stimme.
Dieselbe, die mich damals weitermachen ließ, flüsterte nun:
„Es ist schwer, ja. Aber du wirst das schaffen. Nach jedem Regen kommt auch wieder Sonnenschein.“

Und irgendwie war da eine Kraft in mir, die mich weitermachen ließ.
Ja, ich war jetzt behindert. Aber ich war auch so viel mehr.


Was wirklich zählt

Viele Menschen wandten sich von mir ab.
Aber die, die wirklich zählen, blieben.
Sie wurden zu meinem Fels in der Brandung.

Und da war da ja auch noch das Klettern.
Es ließ mich nicht los – oder ich ließ es nicht los.
Es wurde zu meinem Kompass, meinem Halt, meinem Ausdruck von Freiheit.


Ein neues Leben. Ein neues Ich.

Heute – sieben Jahre später – sitze ich in Seoul.
Gerade ist hier die Kletterweltmeisterschaft über die Bühne gegangen.
Und ich denke zurück. An damals. An all das, was seither passiert ist.

Ich bin heute Vollzeit-Leistungssportlerin.
Nicht mehr nebenbei, nicht mehr getrieben – sondern bewusst.
Ich habe meinen Körper neu kennengelernt, fast jede Phase von ihm verstanden.
Ich weiß, was er braucht. Meistens. (Ausnahmen wie hier in Seoul bestätigen die Regel.)

Ich gehe noch immer an meine Grenzen – vielleicht öfter als gut wäre.
Aber ich versuche, meinem Körper auch Pausen zu geben.
Ihm Gutes zu tun. Energie zu tanken.
Ich schätze heute jedes Abenteuer, das ich erleben darf.
Und ich bin zutiefst dankbar, dass ich überhaupt leben darf.


Lernen, wachsen, leben

Das Leben ist mein größter Lehrmeister.
Es hat mich gezwungen, neu zu denken, neu zu fühlen, neu zu leben.
Und ich weiß: Die Reise ist noch nicht zu Ende.
Da wartet noch viel auf mich – Herausforderungen, Erkenntnisse, Erfolge, vielleicht Rückschläge.

Aber ich darf weiterschreiben.
Meine Geschichte. Mein Leben.

Und das ist vielleicht das größte Geschenk von allen.


Danke an mein damaliges Ich, das nicht aufgegeben hat.
Danke an meinen Körper, der mich jeden Tag trägt.
Danke an die Menschen, die geblieben sind.
Danke an das Leben – auch wenn es oft verdammt schwer war.

One comment

  • Inge Fassold

    September 28, 2025 at 7:29 a.m.

    Nur weiter so. Du wirst noch alles schaffen was du willst. Manches braucht aber seine Zeit 😘

    Reply

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