Was ist denn nur mit Innsbruck los?

Juli 12, 2024by Jasmin Plank0

Nach dem mehr als gelungenen Saisonauftakt und der extra Portion Selbstvertrauen bei den Staatsmeisterschaften, konnte Innsbruck doch nur ein voller Erfolg werden oder?
Naja, das Leben hatte dann wohl doch wieder andere Pläne. Aber von Anfang an. Das letzte Training vor dem Bewerb war dann auch ein kleiner, großer Erfolg für mich. Eine Route die ich seit der Verschlechterung meiner Hand nicht mehr durchsteigen konnte, hatte ich dann doch, einfach mal so, hinter mich gebracht. Eine weitere Route, in die ich seit meiner Ringbandverletzung nicht mehr einsteigen durfte, konnte ich mit einem neuen Highpoint absolvieren. Ich war also rundum glücklich.
Am Samstag mussten dann noch einige von uns zum Klassifizieren. Zuerst der grosse Schock – Bostian fiel auf einmal mit seinen Einschränkungen in die Kategorie der am wenigsten Beeinträchtigten. Was für ein fail. Aber bringt sichtlich zu Tage, wo das neue Klassifizierungssystem seine Fehler hat. Bei Kraft kann auch nicht einfach mal so das Vorklettern bewertet werden, das mich ja einfach, mal so nebenbei, in die nächsthöhere Kategorie befördert hat. Bostjan war also chancenlos. Er tat mir furchtbar leid. Aber Gott sei Dank wurde zumindest Valentina klassifiziert, und somit endlich offiziell ins Team aufgenommen. Ich freute mich riesig für sie.
Am Sonntag, während des Abendessens, kamen dann auch schon die Vorklettervideos. Damit auch schon mein erster Flashback. Ich muss die Qualirouten der RP3 Damen klettern. Ich war geschockt, denn es kam sofort das Erlebnis von Villard 2023 in meinen Kopf. Auch hier musste ich diese Routen klettern. Damals endete mein Versuch, alles zu geben, in einem Desaster. Meine Spastik schoß dermaßen über, dass sich mein Kreislauf kurzerhand verabschiedete.
Nach dem Essen gingen wir wieder zur Kletterhalle, ich schaute mir die Routen noch einmal genau an. Luis war noch voll mit den Vorbereitungen beschäftigt, nahm sich dann aber die Zeit mit mir die Routen durchzugehen und mich zu beruhigen. Er war sich sicher, ich bekomme das easy hin. Er vertraute in diesem Moment so viel mehr meinem Können als ich selbst. Mit einem viel besseren Gefühl verabschiedete ich mich und fuhr nach Hause. Da ich nicht gleich in der Früh los musste, konnte ich noch etwas entspannter in den Tag starten.
Um 9:00 war ich dann auch in der Halle und bereit zum Aufwärmen, um mich den schweren Routen stellen zu können. Nach meiner Aufwärmroutine war auch Luis schon zur Stelle um mit mir zusammen noch etwas spezifischer aufzuwärmen. Luis war während des Wettkampfes tatsächlich mein Fels in der Brandung. Ich bin ihm so dankbar für alles, was er trotz seiner Aufgabe als Eventmanager, für mich getan hat. Ich hatte wohl alles versucht was nur möglich war, um mein Bestes zu geben. Also raus in das Getümmel und performen.
Ich stieg in meine erste Route ein und fühlte mich sofort wohl. Ich fand gute Rastpunkte und hatte zu keiner Zeit dass Gefühl zu viel geben zu müssen. Das tat meinem Kopf richtig gut. Die Sorge, eine Wiederholung von Villars 2023 zu haben, war komplett verschwunden. Dann passierte mir etwas, das mir noch nie zuvor passiert war. Ich hatte eine Beta verkackt. Was soll ich sagen, immerhin, mit ganz viel Überzeugung, hab ich einfach mal so ins Nichts gegriffen. Der Gedanke, oh das ist jetzt aber ein weiter Zug, war definitiv falsch, es wär eigentlich ein recht kurzer Schulterzug gewesen. Als ich dann im Seil hing, fiel mir das wie Schuppen von den Augen. Aber eben zu spät. Ich hoffte dass dies nicht ein frühzeitiges Aus bedeutet. Aber siehe da, trotz meines fatalen Fehlers blieb ich nach der ersten Route auch an erster Stelle.
Die zweite Route war dann im Flachen, was mir ja ohnehin lieber war. Aber mir war auch klar, dass diese Route um einiges schwerer werden würde. Gott sei Dank konnte ich noch ein paar RP2 Jungs beobachten und etwas lernen. In dieser Route war ich als eine der letzten Athletinnen meiner Kategorie an der Reihe. So etwas setzt mich immer etwas mehr unter Druck, weil ich ja weiß, wie weit ich ungefähr klettern muss. Kurz nach dem Einstieg dann der erste Schock. Die Stelle die so viele Athleten wie nichts überkletterten, stellte für mich eine riesige Herausforderung dar. Die Erinnerung an die Worte meines Trainers- wenn du das Gefühl hast eine Stelle ist zu schwer, versuch es mit etwas Schwung und Überzeugung- war sehr hilfreich, es gelang die Hürde zu bewältigen. So konnte ich mich auch in der zweiten Route an die Spitze des Starterfeldes

kämpfen. Dabei musste ich schon sehr über mein Limit gehen. Die Hand war extrem spastisch, aber leider in einem zu großen Ausmaß, mit einem kleinerem Winkel hätte ich den Zwicker wahrscheinlich für die Ewigkeit halten können. Extrem erleichtert und etwas schmerzerfüllt kam ich wieder am Boden an.
Michi leistete auch in diesem Weltcup wieder sagenhafte Arbeit und kümmerte sich sofort um meine Hand. Ich war einfach nur glücklich, eine so sagenhafte Performance hingelegt und, mit einem doch sehr großem Vorsprung zu den anderen Athleten, den ersten Platz eingenommen zu haben. Da mir aber auch sehr bewusst war, was mein Körper geleistet hatte, beschloss ich noch schnell ins Health Performance Institut zu fahren, um meinem Körper mit der Kryotherapie bei der Regeneration zu helfen. Damit am nächsten Tag einfach nichts mehr schief gehen kann. Am Abend trafen wir uns dann noch zum Teamessen.
Am nächsten Morgen war ich ziemlich zwiegespalten. Die Freude auf das Finale war groß, aber auch die Nervosität kam um die Ecke. So beschloss ich nach dem Frühstück meine Musik zu schnappen und mit Chiara eine Runde Gassi zu gehen. Die Kleine und die Natur helfen mir immer sehr gut, um mich wieder zu erden. So war es auch diesmal. Wir spazierten eine Runde, setzten uns zum Innufer, spielten dort ein bisschen mit den Steinen und kuschelten. Mit frischer Energie brachte ich Chiara zu meinen Eltern, ehe ich in die Kletterhalle fuhr. Der Heimvorteil muss ja auch ein bisschen ausgenützt werden. Eine Stunde vor Isoschluss begann ich wieder mit meiner Aufwärmroutine. Ich wollte auch unbedingt noch ein paar Routen am Toppas gehen. Zusammen mit Luis betrat ich ein paar Minuten vor Isoschluss dann auch die Isozone. Luis wollte wieder ein wenig spezifisch mit mir aufwärmen. Nachdem wir die Startliste bekommen hatten, war mir auch schon ansatzweise klar, welche Route meine sein könnte.
Ich hatte schon vom ersten Augenblick an großen Respekt vor dieser Route, was dann aber passieren sollte, war mir absolut nicht bewusst. Kurze Zeit später ging es für uns dann zur Besichtigung. Bei der Besichtigung war die Route für mich eigentlich recht gut zu lesen. Ich fand auch eine Stelle als meine persönliche Schlüsselstelle raus, und machte mir 2-3 Lösungsgedanken dafür. Schon hieß es wieder – ab in die Isozone und warten.
Und dann passierte das Unerwartete! Die erste Kletterin war noch im Verhältnis recht lange an der Wand, aber dann ging alles Schlag auf Schlag. Ich sah Dina im Augenwinkel recht früh fallen und fragte ich mich, was hier eigentlich passiert. Ich ließ mich aber nicht weiter beunruhigen, fuhr zu meiner Route, ließ mich einbinden und startete los. Gefühlte keine 3 Züge später stand ich da und war ratlos. Ich wusste wie die Stelle zu klettern wäre, aber ich war chancenlos. Meine Hand konnte den Aufleger absolut nicht halten. Ich versuchte eine andere Lösung, aber auch diese wollte nicht funktionieren. Ich konnte mich nochmal zurück retten, aber bei der dritten Lösungsmöglichkeit war es dann auch schon vorbei. Am Griff Nummer 6 scheiterte ich. Ich war fassungslos. Wie war sowas nur möglich? Dann hörte ich den Moderator auch schon sagen, dass nur eine Athletin diese Stelle überklettern konnte. Ich hatte also den 2. Platz belegt. Eigentlich sollte ich mich ja freuen, aber ich war nur enttäuscht, versuchte nur noch so schnell wie möglich zu verschwinden.
Hinter der Bühne warteten schon Luis und Franz mit aufmunternden Worten auf mich. Ich war ihnen extrem dankbar, aber meine Enttäuschung saß tief. Sogar der Himmel weinte in diesem Moment. In mir kamen so viele Gefühle zusammen, dass ich gar nicht beschreiben konnte, was in mir vorging. Ich richtete die Wut gegen mich. Der Versuch von Sebastian, mich aufzumuntern, indem er mir mitteilte, dass die Routensetzer etwas experimentiert hatten, wohl bewusst dass es zu schwierig werden würde, ging leider auch etwas in die Hose. Ich fühlte mich zutiefst bloßgestellt. Die Routensetzer hatten mir doch diese eine Gelegenheit genommen, vor einem so tollem Publikum, zu zeigen was ich kann. Stattdessen hatte ich das Gefühl, die Menschen sehen nur einen Behinderten, der nicht mehr als 6 Griffe klettern kann und dafür sogar den 2. Platz bekommt.
Dies ließ nämlich meine Wut noch mehr hochkochen. Nun hieß es den restlichen Abend wieder einmal gute Mine zum bösen Spiel zu machen (kleiner Flashback von Innsbruck 2023). Aber schlussendlich gab es dann doch auch etwas Schönes zu feiern – Linda hatte ihren ersten Weltcupsieg. Ich freute mich riesig mit ihr, sie hat es mehr als verdient.

Natürlich kamen auch hier wieder andere Themen hoch, wie etwa die Klassifizierung im letzten Jahr, die mir sowieso schon permanente Benachteiligung bringt. Ich hatte in den letzten Monaten so hart gearbeitet um eben genau dieser Benachteiligung entgegen zu wirken. Dann kommt so ein Moment – eine Stelle an der du einfach über deine unteren oder oberen Extremitäten volle Kontrolle haben musst. Machtlos zu sein, sein Handicap so arg zu spüren bekommen, nur weil Routensetzer glauben experimentieren zu müssen, ist einfach nur zerstörend. In diesem Moment ist wieder ein Teil meiner Seele zerbrochen. Nur daß meine Seele mit dem Kleben der Wunden vom letzten Jahr noch so viel zu tun hat. Irgendwann kommt der Punkt, an dem einfach alles nur noch zu viel wird.
Am nächsten Tag hatte mich dann auch schon wieder die Realität fest im Griff, ich begann meine Kortisontherapie, in der Hoffnung, dass wir eventuell die Spastik, und die damit verbundenen starken Schmerzen, unter Kontrolle bringen können. Hier heißt es noch ein wenig hoffen.
Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die im Weltcup mit allen möglichen Hilfen an meiner Seite standen. Ihr wart einfach Klasse. Mein größter Dank gilt allerdings Luis, der sich neben seinem Job als Eventmanager, echt noch extrem für mich aufopferte. Ich sehe das alles nicht als selbstverständlich an. Du bist so ein wunderbarer Mensch. Ich bin so froh dass du den Job als Trainer angenommen hast. Egal was in Zukunft kommen wird, was du in ein paar Monaten aus mir gemacht hast, war wirklich sagenhaft. Das werde ich dir nie vergessen.

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