Da ich euch versprochen habe mein Statement zum Thema Klassifizierung zu geben, werde ich das heute machen. Ich versuche damit meinen Frieden und einen Abschluss zu finden. Dazu werde ich euch auch Stück weit in meine Krankengeschichte mitnehmen einfach um euch zu verdeutlichen, dass es nicht nur ein Teil des Sportes ist, sondern um einiges mehr.
Als Paraathlet weiß man dass die Klassifizierung ein Part of the Game ist und man ist sich auch ganz klar darüber, dass diese notwendig ist, um seinen Sport auszuüben. Nur eines sollte auch dem internationalen Verband und den Klassifizieren klar sein; jeder Athlet hat seine Geschichte und jeder Athlet hat andere Erlebnisse mit Ärzten und Untersuchungen. Vor allem bei neurologisch Erkrankten Personen. Gerade in diesem Bereich ist oft vieles nicht so einfach.
Ich bin wahrscheinlich das Paradebeispiel dafür, wie arg die Neurologie in den Kinderschuhen steckt und wie unangenehm die Reise durch die Diagnosenstellung sein kann. Es benötigte fast 10 Jahre um den Kind einen Namen zu geben. Fast 10 Jahre in denen ich teilweise das Gefühl hatte ein Versuchskaninchen zu sein oder bin ich doch ein Alien welches von einem fremden Stern kam und niemand weiß was ich eigentlich wirklich bin. Was jetzt so lustig klingen mag, brachte mich teilweise an den Rande des Wahnsinns. Diese Jahre waren geprägt von zahlreichen Klinikaufenthalten und Arztbesuchen. 10.000 male musste man sich Tests unterziehen um zu sehen was mit einem nicht stimmt.
Ich bin mir sicher, in dieser Phase gewachsen zu sein, aber es war alles andere als eine leichte Zeit. Ich glaubte fest daran, dass es egal ist was auch immer die Ärzte mir an Diagnosen an den Kopf warfen, ich benötige nur die Klarheit um mit meinem Worst Case zu arbeiten und dagegen angehen zu können. Ich hatte aber die Rechnung nicht mit dem Leben gemacht. Denn als dann die Diagnose gestellt wurde, warf es mich knallhart auf den Boden der Tatsachen. Die Diagnose war wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Ich durchging alle 7 Phasen der Trauer ehe ich meinen Frieden damit fand.
Dass das Kind einen Namen hat war allerdings auch extrem wichtig für den Sport aufgrund des neuen Klassifizierungssystems: man musste eine Diagnose haben um weiter im Sport sein zu dürfen. Somit war klar das Universum hat mir den Weg geebnet damit ich meinen Sport weiter machen kann und darf. So nun aber zum eigentlichen Thema nämlich der Klassifizierung.
Im darauf folgenden Frühjahr flogen wir nach Amerika. Ich hatte mein Review, aber mit der Diagnose im Gepäck fühlte ich mich sicherer. Dennoch war ich extrem angespannt. In diesem Jahr liefen die Testungen komplett anders ab. Die Klassifizierer schauten aufgrund meiner Diagnose nicht mehr auf meine Kraftgrade sondern Beschäftigten sich mit meiner Spastik. Es war alles andere als leicht für mich. Diese Testungen lösten starke Schmerzen aus. Aber man macht es doch für den guten Zweck. Der nächste schwere Moment war es zu sehen, wo sie überall eine Spastik oder einen Klonus auslösen können. Ich hatte tatsächlich körperlich und mental einiges zu stemmen. Als wir nach der Besprechung zurück kamen dann der Schock: ich komme in eine andere Kategorie. Im ersten Moment dachte ich tatsächlich ich werde wieder aufgestuft.
Aber davon war ich weit entfernt, ganz im Gegenteil sie erklärten mir dass ich in die RP1 Kategorie gehörte. Ich hatte wieder einmal zu schlucken. Ich brauche immer ein wenig Zeit um solche Dinge zu verdauen. Ich fragte dann sogar den Klassifizierer ob er sich sicher sei dass ich RP1 Athletin bin die anderen Athleten sind doch richtig arm mit mir in der Kategorie doch er meinte ganz klar doch du gehörst hier hin. Mit einem flauen Gefühl im Magen bestritt ich den Wettkampf wohl fühlend dass viele Athleten angepisst waren dass ich nun RP1 Athletin war. Ich gewann den Wettkampf aber freuen konnte ich mich nicht wirklich darüber. Ich bin ein Mensch der negative Stimmungen sehr schnell spürt und sie leider nicht abschütteln kann.
Zwischen Salt Lake City und Innsbruck sind ein paar Wochen vergangen. Ich habe mich psychisch darauf eingestellt dass mein Körper mich zu einer RP1 Athletin gemacht hat. In Innsbruck kam es dann zu Gesprächen mit Athleten in meiner neuen Kategorie was dann auch dazu führte, dass ich von fast allen akzeptiert wurde. Sie mussten nur einmal hören welche Erkrankung ich habe und welche Einschränkungen daraus resultierten. Das führte dazu dass ich in Innsbruck befreit den Wettkampf angehen konnte. Ich war so glücklich zuhause allen zeigen zu können was in mir steckt. Ich schaffte es nicht nur den ersten Platz zu erreichen, nein ich konnte sogar bis zum Top klettern. Ich war einfach nur glücklich. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht dass dies wohl mein letztes Mal für eine lange Zeit sein sollte.
Nach dem Wettkampf wurde mir dann eröffnet, dass es wohl Unstimmigkeiten in Bezug auf meine Klassifizierung gibt und dass ich in Villars erneut zur Klassifizierung muss. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Was Klassifizierer nicht bedenken ist, dass solche Entscheidungen den Athleten hart treffen. Man fragt sich tatsächlich ob man anderen Athleten den Sieg weggenommen hat und Zeitgleich muss man sich wieder den ganzen Tests und dem Stress der Klassifizierung aussetzen. Für mich eine emotionale Achterbahnfahrt. Einer der Klassifizierer hat sich noch während des Weltcups die Zeit genommen, mich angehört, meine Sichtweise verstanden und mir versprochen wenn ein weiteres Panel mich ansieht und es dann ein Urteil gibt, bleibt es bei diesem.
Gut ich stellte mich ein paar Wochen später der Situation. Die Testungen sagten klar dasselbe aus wie bei der vorherigen. Diesmal sollte ich auch zum sportspezifischen Test. Auch das hab ich hinter mich gebracht. Siehe da, RP1 wurde wieder bestätigt. Diesmal bekam ich ein Review für 2024. Ich war einfach nur froh, dass ich es hinter mir habe. Ich freute mich auch über die Gewissheit, dass ich niemandem den Titel weggenommen habe und gleichzeitig auf eine Saison ohne weitere Klassifizierung. Ich war zwar geschwächt von der erneuten Testung habe aber dennoch einen weiteren Titel holen können. Mit dem Wettkampf in Villars war unsere Saison dann auch beendet.
Wir stellten uns darauf ein, dass ich 2023 das Jahr der Jahre haben werde. Ich trainierte hart. Wie im vorigen Blog schon beschrieben, war die Vorbereitung für die Saison 2023 dann allerdings doch alles andere als Einfach. Wir machten dennoch alles was uns irgendwie möglich war, um meine Fitness zu erhalten. Ein paart Wochen vor dem Weltcupauftakt in Salt Lake City dann der nächste Schlag mitten ins Gesicht. Aufgrund erneuter Regeländerungen muss ich zur Klassifizierung. Ich war komplett am Boden und das schon bevor wir überhaupt die Anreise angetreten hatten.
Ich versuchte mich mental zu stärken um irgendwie eine neuerliche Klassifizierung ohne Schaden zu überstehen. Ich dachte eigentlich daran, dass ich das ganze gut hinbekommen werde. Leider passierte das komplette Gegenteil. Ich schreibe euch hier ganz offen und ehrlich, wie es mir in diesem Jahr ergangen ist….
Wir reisten nach Amerika. Ich konnte schon vom ersten Tag an kaum schlafen. Dann war es soweit der Tag der Klassifizierung stand an. Ganz wichtig, ja die Klassifizierer waren einfühlsam aber Dennoch sind es Schmerzen die ich aushalten muss und ich wurde wie gesagt schon zum dritten mal untersucht. es wurde mir klar gemacht welche Auswirkungen meine Erkrankungen auf meinen Körper hat in diesem Fall wie arg sie sich die Erkrankung seit dem letzten Jahr verschlechtert hat. Das macht was mit einem Athleten. Sie erklärten mir dann, dass sich meine Werte verschlechtert haben, ich von den Tests her RP1 wäre, dennoch muss ich am späten Nachmittag zur kletterspezifischen Testung.
Gesagt getan. Man bekam zwar Timeslots für die Testung, allerdings mussten wir ewig lange warten bis ich endlich zum Test konnte. Meine Nerven lagen komplett blank. Nachdem ich es endlich hinter mich gebracht hatte, gingen die 2 Klassifizierer zur Besprechung. Die nächste Nervenprobe. Nach 45min kamen sie zurück und erklärten mir dass ich RP1 wäre, das Review abermals 2024 sei. Sie mich aber auch beim Wettkampf beobachten werden. Ich war einfach nur froh dass es vorbei war.
Für mein Unterbewusstsein war es allerdings nach wie vor nicht abgeschlossen. Ich hatte in der Nacht furchtbare Alpträume, von denen aufgewacht konnte ich nicht mehr schlafen. Außerdem war mein Körper noch von der Testung so belastet, dass ich ziemliche Schmerzen hatte. Ich kam zum Bewerb und war einfach nur Müde, fertig und ein nervliches Wrack. Dieser Wettkampf war einfach nur die Hölle für mich. Dennoch versuchte ich mein bestes zu geben. Was mir irgendwie gelang ich kam als Erstplatzierte in das Finale. Ich konnte allerdings wieder nicht schlafen. Am nächsten Tag waren alle meine Kräfte komplett am Ende. Das Resultat ich habe den Wettkampf nur noch irgendwie hinter mich gebracht. Konnte keine Lösung für die Crux Stelle finden, mein Kopf war mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt, somit wurde ich Zweite. Doch das soll noch nicht alles gewesen sein. Nach der Siegerehrung kam erst die Hiobsbotschaft: ich muss in Innsbruck wieder zur Klassifizierung.
Das gab mir definitiv den Rest. Für mich war der Tag gelaufen. Am nächsten Tag der nächste Schlag, mein linkes Auge hatte beschlossen, es sei alles zu viel. Ich sah nur noch verschwommen. Ich legte nicht viel Wert darauf, ich dachte die letzten Tage waren einfach viel und mein Auge sei nur Müde dass wird schon wieder. Nachdem es aber leider die nächsten Tage nicht besser wurde, war mir schon fast klar, dass ich wohl einen Schub hatte.
Nachdem wir aus Amerika zurückkamen machte ich einen Termin bei meinem Augenarzt der dann den Verdacht einer Sehnerventzündung äußerte. Einen paar Tage darauf hatte ich einen Termin beim Neurologen. Inzwischen sah ich nicht nur schlecht, nein mich blendete es extrem und ab Nachmittag hatte ich dann ständig Kopfschmerzen. Mein rechtes Auge war überbelastet und das konnte das linke nicht mehr ausgleichen. Nach einem MRT war es dann amtlich ich hatte eine Sehnerventzündung. Ein paar Tage vor dem Bewerb in Innsbruck war also klar ich muss eine Therapie starten um mein Augenlicht zu retten. Ich war am Boden zerstört. Der Neurologe sprach sich auch gegen den Bewerb aus. Was für mich allerdings nicht in Frage kam, erstens war es mein Heimbewerb, zweitens musste ich mich ja der Klassifizierung stellen, ansonsten hätte ich vor Bern klassifiziert werden müssen. Das war das letzte was ich wollte.
Die Therapie hat mich diesmal extrem geschwächt und war ziemlich anstrengend. Dennoch lies ich mich auf die Klassifizierung ein. Was ich den Klassifizieren definitiv zugutehalten muss, die Testungen haben sie auf ein minimum reduziert. Sie schauten sich auch noch spezifische Dinge an und sahen dort auch, dass ich vieles kompensiere. Aber auch nach dieser sehr Eingeschränkten Testung war ich am Papier RP1 Athletin. Wieder hieß es zur sportspezifischen Testung. Auch diesmal wartete ich lange bis ich endlich an der Reihe war. Im Anschluss wieder eine lange Besprechung. Das Ergebnis haute mich dann um: ich sollte in Zukunft RP2 Athletin sein. Ihre Fadenscheinige Aussage: mein Klonus sei kein Teil der Spastik (was ich sogar Ärztlich widerlegen konnte) Die Spastik kann man laut ihnen auch nicht trainieren somit gehöre ich nicht in die RP1 Kategorie. Sie würden zwar sehen, dass der Klonus mich auch einschränkt aber das wird in den Regeln nicht berücksichtigt. Kurzum: ich klettere zu „schön“ für meine Behinderung.
Die Klassifizierer traten mein Training tatsächlich mit Füßen. Ja es ist eine Tatsache dass noch viel zu viele Athleten den Sport nicht ernst genug nehmen. Dass dann aber Athleten die es wirklich als Leistungssport sehen diskreditieren werden, finde ich einfach nur den reinen Wahnsinn. Ich trainiere mind. 20 Stunden die Woche, habe mein ganzes Leben (Physio,Ergo usw.) dem Sport untergeordnet und soll dafür bestraft werden, „zu gut“ zu sein. Seit 2019 gab es für meine Trainer und mich nichts anderes als zu schauen wo und wie ich mein Handicap ausgleichen kann. Teilweise arbeiteten wir Wochen, Monate bzw Jahre an einer Bewegung, bis wir eine Lösung fanden, die für mich funktionierten. Plötzlich ist es auch möglich dass ich erst 2027 zum Review kommen muss.
Klassifizierer sowie auch der internationale Verband müssten sich eigentlich glücklich schätzen, dass es Athleten wie mich gibt, die den Sport ernst nehmen, die Vorbilder für andere sind, die zeigen was alles möglich ist wenn man nur will. Stattdessen wird man aber bestraft. Wenn ich mein Trainingspensum nach unten schrauben würde, nur noch zum Spaß klettern gehen würde ein paar Stunden die Woche wäre mein Handicap tatsächlich sichtbarer. Das ist auch der Grund warum ich kaum eine Kletterpause mache, es hat einfach Auswirkungen auf meinen Körper und auf mein Klettern. Aber der schlimmste Punkt ist für mich tatsächlich, dass sie es geschafft haben, mir den Spaß am Sport zu nehmen und mir meine Kopffreizeit weggenommen haben.
Da wir leider verabsäumten noch direkt in Innsbruck einen Einspruch zu erheben, da ich einfach nur noch fertig war, bemühte sich unser Verband, dass ich eine erneute Klassifizierung in Bern bekomme. Aber das verlief im Sand, was ich allerdings am verachtendsten fand, war die Tatsache dass sie nichteinmal auf das Schreiben meines Neurologen antworteten. Wenn man schon darauf aufmerksam gemacht wird dass hier falsche Aussagen getätigt wurden dann erwarte ich mir zumindest eine Stellungnahme dazu.
Naja vielleicht könnt ihr jetzt nachvollziehen aus welchem Grund ich so Sauer, Enttäuscht und mental am Ende bin und sogar übers Aufhören nachdachte. Wie gesagt ich weiß es ist Part of the Game dennoch muss man sich Fragen ob hier der richtige Weg eingeschlagen wurde ist,
So aber jetzt genug mit den negativen Beiträgen. In Zukunft will ich euch wieder mit positiven Blog Beiträgen zur Seite stehen, es gibt inzwischen wieder einiges zu Berichten, also bis Bald…..