Ein Heim-Weltcup – eigentlich ein Highlight, auf das man sich freut. EIGENTLICH !
Doch wenn ich ehrlich bin, bin ich mit gemischten Gefühlen in den Bewerb in Innsbruck gegangen. Mein Körper machte schon seit dem Wettkampf in Salt Lake City was er wollte. Die letzten beiden Trainings vor Innsbruck? Sagen wir mal – nicht optimal. Kein Wunder also, dass ich nicht mit dem besten Gefühl in dieses Wochenende startete.
Runterkommen vorm Aufdrehen
Am Sonntag suchte ich – wie so oft in solchen Momenten – die Flucht. Ein Teil unseres Teams traf sich am Weißbach, um einfach mal runterzukommen. Das Wasser war eiskalt und wunderschön. Es half – ich konnte abschalten.
Später ging’s dann mit meinem Coach Luis zur Routenbesichtigung. Kaum war ich auf dem Eventgelände, schnürte sich mir der Hals zu. Ich hätte am liebsten gleich wieder kehrt gemacht. Aber ich beschloss: ich zieh’s durch. Erst mal was essen – das hilft bekanntlich Körper und Geist.
Dann kam die Info zu den Routen – und mit ihr die nächste Welle. Wieder soll RP2 dieselbe Route klettern wie die höheren Kategorien. Ein kurzer Moment, in dem ich am liebsten sofort eingepackt hätte. Doch Luis holte mich zur Besichtigung. Er blieb ruhig, ging mit mir alles durch, versuchte mich zu beruhigen:
„Da ist nichts dabei, das du nicht kannst.“
„Ich will morgen nicht starten.“
Bei der technischen Route kam dann alles hoch. Ich sagte laut, was ich schon lange fühlte:
„Ich will morgen nicht starten.“
Luis blieb ruhig und meinte: „Du weißt, dass du das kannst.“
Wir machten einen Deal: ich stehe auf, frühstücke, fahre zur Halle. Wenn ich dann immer noch heimrollen will, darf ich das.
Bei der Besichtigung der zweiten Route dann die erste Hürde. Die Crux kam direkt am Start – Untergriffe, kaum geeignet, um aus dem Rollstuhl in die Wand zu steigen. Ich war sprachlos. Doch Luis blieb an meiner Seite, wies mich auf jedes kleine Detail hin.
Im Hotel fiel dann mit dem Teammeeting etwas Druck ab. Ich fuhr heim, legte mich hin – schlafen konnte ich kaum. Zwei Stunden später weckte mich die Spastik.
Trotz allem – ready to climb
Zum Glück war mein Start erst mittags. Genug Zeit für mein Ritual – und viel Koffein. Dann kam die Nachricht von Luis – die Griffe am Start wurden gedreht. Ich konnte sie jetzt regulär belasten. Riesen Erleichterung !!!
In der Warmup-Zone fühlte ich mich plötzlich gut. BEREIT!
Dann: Die Sonne brannte, ich war als Achte dran – doch nach Starterin Nr. 6 wurde wetterbedingt unterbrochen. Das Warten begann. Ich hielt mich am Campusboard warm. Nach 30 Minuten durfte ich endlich ran. Die Route forderte mich di
rekt – ich verlor unten zu viel Kraft. Im steilen Teil fand ich meinen Flow, aber die Energie war fast weg. Trotzdem – ich setzte mich knapp an die Spitze.
Route 2 – alles oder nichts
Die zweite Route – mein Körper war müde, mein Wille wach. Ich war als Dritte dran. Kurz vorher hieß es plötzlich: In zehn Minuten geht’s los. Zu früh ! Mein Trainer klärte das – 50 Minuten Pause stehen uns zu. Ich nutzte jede Minute davon.
Dann ging’s los. Ich kam gut rein, kämpfte früh, meisterte die erste Crux. Bei der zweiten korrigierte ich nochmal meine Position – es klappte. Dann zwei große Volumen – No-Tox – ich schaffte es! Kurz darauf war Schluss.
Ich wusste: Ich hab alles gegeben.
Eine Dreiviertelstunde später stand fest: 10 Griffe Vorsprung. Wieder als Erstplatzierte ins Finale. Doch ich spürte, wie sehr ich meinen Körper überlastet hatte. Essen, Physio, ab ins Bett – wo mein Nervensystem leider hellwach blieb.
Finaltag: Zeichen, Zweifel, Zuversicht
Der Finaltag begann ruhig – Spaziergang mit Chiara, wie jedes Jahr. Die Zweifel waren wieder da. Wieder eine Traverse? Wieder eine Route gegen meine körperlichen Funktionen? Ich bat das Universum um ein Zeichen. Und dann – kein Scherz – lag plötzlich ein vierblättriger Klee vor mir. Mein Mantra:
„Alles wird gut. Du kannst das schaffen.“
In der Halle wärmte ich mich auf. Dann – Blut! Eine alte Blase war aufgegangen. Supergau? Vielleicht. Aber dadurch war ich zu sehr mit der Versorgung beschäftigt, um da nervös zu werden.
Noch ein paar Boulder mit Luis, Physio, Routenbesichtigung. Die Traverse bereitete vielen Sorgen – mir auch. Ich war froh, im ersten Block starten zu dürfen. Weniger Zeit um über Schwierigkeiten nachzudenken.
Das Finale – getragen vom Publikum
Als ich dran war, war das Publikum unglaublich. Ich erinnerte mich an Luis’ Worte:
„Wenn du die Traverse geschafft hast, wird dir die Route gefallen.“
Und ich kämpfte. Griff für Griff. Chalk, Schraubenloch, Zug um Zug. Die Traverse war geschafft – und plötzlich war ich im Flow. Ich machte sogar einen Zug, den ich im Training nie sauber geschafft hatte. Dann – das Ende. Völlig ausgepowert. Aber ich wus
ste – ich hab’s geschafft.
Der Innsbruck-Fluch war gebrochen und wurde zu einem magischen Moment.
Luis und Michi kamen mir entgegen, gratulierten mir und halfen mir durch die Spastik. Luis war zum ersten Mal live dabei, als ichGold holte.
Heim-Gold – und ein Publikum, das trägt.
Hinter dem Zaun warteten meine Eltern und zwei kleine Fans. Der Moment durfte lange dauern – denn auch Linda, Markus und Angelino hatten ihre großen Auftritte. Dann die Siegerehrung. Ich konnte nicht anders – ich zeigte Innsbruck meine Orthesen. Voller Stolz die Hymne zu hören – dort, wo ich zu Hause bin – war überwältigend.
2022 hatte ich das zum ersten Mal erleben dürfen. Dann war lange Pause. Jetzt – durfte ich endlich wieder in der Mitte stehen.
Danke an Luis – der mich auffing, wenn ich am Nervenzusammenbruch vorbeischrammte.
Danke an Fabi – für die Ansage: Es ist nur ein normales Training statt Finalstress.
Danke an den Verband – der Inklusion nicht nur ausspricht, sondern lebt.
Danke Innsbruck – für eure Begeisterung, eure Wertschätzung.Ihr wart der Wahnsinn !!!