Arco – der letzte Weltcup der Saison – noch einmal die letzten Kräfte mobilisieren- ein letztes mal alles geben

Oktober 16, 2024by Jasmin Plank0

Endlich ist es soweit. Der letzte Weltcup der Saison steht vor der Tür. In meiner zweiten Heimat, also sozusagen vor der Haustür.

Die letzten Trainings waren ziemlich kraftraubend, ich merke, dass es dringend an der Zeit ist eine Pause einzulegen. Im letzten Training hab ich mir dann leider auch noch meinen Zeigefinger bzw. dessen Kapsel beleidigt. Ich hoffe es hat keinen Einfluss auf meine Performance.

Da es nur ca. 2,5 Stunden nach Arco sind, beschloss ich mit meinem eigenen Auto anzureisen, da es mich etwas unabhängiger macht und es sich auch für Chiara angenehmer gestaltet. Mich begleiten Lukas und Michi. Leider soll das Wetter alles andere als schön werden.

Dort angekommen wollten wir einchecken und hatten dann auch schon das erste Problem. Chiara ist nicht erlaubt. Wir telefonierten mit dem Büro das uns versicherte, sie hätten nachgefragt und es wurde gesagt, dass der Assistenzhund kein Problem darstellt. Wir sprachen nochmal mit der Dame an der Rezeption, ich bat darum den Manager zu kontaktieren. Siehe da, einige Telefonate später war es geklärt und meine Maus durfte bleiben. Nachdem die Lust auf einen Regenspaziergang tatsächlich nicht groß war, suchten wir uns ein Restaurant und aßen erstmal zu Mittag. Anschließend wollten wir unsere Zimmer beziehen und uns auf den Weg zur Wand machen. Wir wohnen in Riva, das ungefähr 10 Minuten von Arco entfernt ist. Auf die Italiener ist verlass, die Pizza schmeckte hervorragend. Lukas geht eine kleine Runde mit Chiara und ich richte unser Zimmer ein. Kurze Zeit später geht es nach Arco.

Dort angekommen war es einfach überwältigend. Die großartige Bergkulisse direkt hinter der Wettkampfwand ist einfach nur atemberaubend. Aber schnell ging der Blick an die Kletterwände, und natürlich versuchte ich hierbei herauszufinden welche Routen für mich sein könnten. Ich muss zugeben das Herauszufinden war wirklich nicht einfach. Aber die Routen schauten alle sehr cool aus. Ich war gespannt welche ich dann schlussendlich klettern muss. Zurück im Hotel hieß es noch einen Abendspaziergang machen und dann noch einmal zur Physio.

Ich bin wirklich dankbar, dass wir Michi haben. Ich finde meine Performance ist durch sie um einiges besser, denn sie schafft es, meinen Körper schneller aus der Spastik zu bekommen und ich kann in der zweiten Route einfach nochmal mehr aus meinem Körper herausholen.

Die Nacht war eigentlich ganz okay. Chiara suchte meine Nähe, ich glaub auch sie spürt, dass ich am Ende meiner Kräfte bin und will mir ein wenig Kraft und Zuversicht schenken.

Gott sei Dank hat es irgendwann am frühen Morgen aufgehört zu regnen. Ich hoffte inständig dass es so bleiben wird. Da die Quali für uns erst Mittags begann, beschlossen wir gemütlich eine Runde zu drehen und irgendwo einen guten Kaffee zu trinken, denn der Kaffe in unserem Hotel war grauenhaft. Ich wusste gar nicht, dass es in Italien Kaffeemaschinen gibt die so eine schlimme Brühe kochen können. 🙂

Während unseres Spazierganges kam es dann doch noch zu einem Gewitter. Wir suchten Unterschlupf in einem kleinen Kaffee. Nachdem es wieder aufgehört hat, gingen wir wieder zurück. Es ist an der Zeit zu packen und sich auf den Wettkampf vorzubereiten. Die Routen schauen wirklich cool aus und auch sehr machbar. Ich hoffe nur dass mein Finger und mein Rücken mitspielen.

Angekommen blieb Chiara erstmal bei mir, so machten wir uns auf den Weg in die Isozone. Für mich war es sehr spannend zu sehen, dass hier ziemlich viele Männer in Uniform zu sehen waren. Finanzamt, Police, Alpinrettung, alles war vertreten. Ein klassisches Beispiel von andere Länder andere Sitten.

Nach dem Aufwärmen schaute ich noch ein paar Leuten beim klettern zu, um eventuelle Crux- Stellen zu sehen. Ich freute mich mega auf die erste Route, auch wenn meine rechte Hand wirklich keinen Spaß am klettern hatte. Ich war leider ziemlich spastisch und der Finger wollte

auch nicht so richtig. Aber da die erste Route im Überhang war nun auch nicht wirklich mit vielen Sloopern bestückt, es sollte also kein Problem darstellen.

Kurze Zeit später war es dann auch soweit. Ich durfte endlich einsteigen. Diesmal hieß es in beiden Routen alles geben. Zu meinem erstaunen war die Route trotz starkem Überhang richtig gut und flüßig zum klettern. Doch kurz vor dem letzten Austiegsdach war die Spastik extrem groß. Die letzten 4-5 Griffe war ich überrascht als ich sie doch noch irgendwie halten konnte. Aber dann war ich doch weg, der Griff war einfach nicht mehr zu halten. Ich war dennoch sehr glücklich über meine Performance wenn es auch knapp nicht bis zum Top reichte.

Kurze Zeit später war aber schon klar, es reichte für den ersten Platz. Die zweite Route versprach etwas leichter zu sein. Nachdem ich den anderen Kategorien zu sah und merkte, dass fast alle diese Route bis zum Top gehen, war mir schnell bewusst, dieser Route könnte auch für unsere Kategorie etwas zu einfach sein. Ich musste als zweite ran. Somit hatte ich auch ein wenig Druck diese gut zu meistern. Knapp über der hälfte von der Route war schon geschafft als ich plötzlich auf einen Slooper darf. Die rechte Hand war ziemlich spastisch und irgendwie wollte sie den Griffnicht halten. Das Handgelenk wollte sich nicht anpassen. So ging ich nochmal einen Griff zurück und schüttelte meine Hand aus. Als ich dann erneut den Zug versuchte gab es ein knacken und einen ziemlich stechenden Schmerz im Handgelenk. Ich dachte mir erstmal nicht viel dabei. Nach dieser etwas speziellen Stelle ging es dann richtig schön weiter, Der Topzug war dann doch noch recht spannend aber auch den schaffte ich. Ich war überglücklich die Route so gut gemeistert zu haben.

Wie es sich dann herausstellte war die Route wohl doch nicht zu einfach, denn ich war die einzige die diese Route in meiner Kategorie bis ans Top klettern konnte. Als ich dann unten war, bemerkte ich ziemlich arge Schmerzen. Michi war sofort zu Stelle und bearbeitete meine Spastik. Ich erzählte ihr von dem Vorfall, hab ihm aber dann wenig Beachtung geschenkt. Nachdem ich noch ein paar Leuten zusah bemerkte ich dann aber, dass mir das Handgelenk immer mehr und mehr weh tat. Irgendwann beschloss ich eine Runde mit Chiara zu gehen, denn meine Teamkollegen hatten noch ein wenig Pause. Doch als wir lossollten war mir schnell, klar irgendwas stimmt mit meinem Handgelenk einfach nicht. Zurück von unserer Gassi Runde sprach ich nochmal mit Michi. Wir einigten uns darauf dass sie es sich am Abend in Ruhe ansieht.

Was für ein Bewerb: 7 von 8 österreichischen Athleten haben es ins Finale geschafft. Ganz besonders stolz bin ich hierbei auf Michi, denn er hat erst seinen 2. Weltcup und steht hier schon im Finale. Nach dem Bewerb gingen wir zum Abendessen. Im Anschluss daran ging Lukas, Chiara und ich noch eine gute Nacht Runde. Chiara hat ihren Job wieder sehr brav gemacht und soll sich noch ein wenig austoben, ein bisschen spielen oder einfach nur schnüffeln, einfach das machen wonach ihr eben gerade ist. Nach dem Spaziergang ging ich noch schnell zu Michi. Diese versuchte meine Hand etwas zu bändigen, denn durch die Spastik war es ihr sonst nicht möglich herauszufinden ob etwas Gröberes passiert ist oder nicht. Als die Hand halbwegs von der Spastik befreit war, schmerzte sie noch mehr. Wir beschlossen am nächsten Tag nochmal drauf zu schauen, denn wir beide waren einfach nur noch Hunde müde. Also hieß es Chiara etwas zu fressen zu geben, schnell unter die Dusche und dann ab ins Bett.

Die Nacht verlief leider mehr als unrund. Erst fand ich nicht in den Schlaf, dann wachte ich permanent auf und morgens als ich dann endlich zur Ruhe kam, war meine Zimmernachbarin wach. Wenn es läuft dann läuft es halt. Das nächste Problem am morgen war eine furchtbar steife Hand mit eingeschlafenen, kaum zu bewegenden Fingern. Ich hoffte einfach nur, dass Michi mir kein Kletterverbot erteilt. Ich war doch so kurz vor einem super Saisonabschluss. Nach dem Frühstück schaute sich Michi nochmal meine Hand an, der Verdacht eines Haarrisses stand ja gestern Abend schon im Raum. Dennoch beschlossen wir, dass ich ein Warmup versuche, sollte es gar nicht gehen, muss ich es eh sein lassen.

Es blieb noch ein wenig Zeit, bevor wir zum Finale gehen mussten. Natürlich verschlug es mich in dieser Zeit an den Gardasee. Das Wetter war wirklich schön, was natürlich zum verweilen einlud. Wasser war und ist ja immer schon mein Kraftelement. Ich wollte nochmal alles mir mögliche tun um all meine Kraftreserven zu mobilisieren. Kurze Zeit später ging es dann in die Isozone. Lukas nahm Chiara mit zum Publikum. Was wirklich nicht mega einfach war. Gott sei dank haben wir dann aber doch noch einen Weg gefunden dass sie mit ihm mitgeht. Das Aufwärmen war sehr

durchwachsen. Die Leisten schmerzten, am Zeigefinger die Aufleger schmerzten im Handgelenk. Da kommt so richtig Freude auf. Dennoch beschloss ich diese letzte eine Route noch in Angriff zu nehmen. Dann war es endlich soweit wir durften die Route besichtigen. Dass ich an der Speedwand klettern muss ist ja inzwischen schon fast täglich Brot und hat mich diesmal erstaunlich wenig geärgert. Ich hoffte nur, dass die Routensetzer endlich mal mit Hirn gearbeitet haben.

Naja, als ich vor der Route stand wusste ich, meine Hoffnung war umsonst. Ich sah die Cruxstelle und wusste, diese Stelle wird wieder mein Ende sein. Aufstehen, balancieren und dann einen Slooper halten. Ich hoffte nur, dass ich diese Stelle irgendwie lösen kann und wenn nicht, dass die anderen zumindest auch nicht weiter kommen werden.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich dann an der Reihe. Es hieß Alles oder Nichts. Ich stieg in die Route ein, kam wirklich schnell in einen Flow und dann kam ich zu dieser einen Stelle. Ich versuchte Zuerst mit meinem Knie auf das große Volumen zu kommen. Merkte aber schnell dass ich so keinen Halt habe und wahrscheinlich abrutsche, also ging ich nochmal einen Step zurück, positionierte mich neu und schaffte es tatsächlich, meinen Fuß auf das Volumen zu bringen. Es gelang mir dann auch über den Untergriff aufzustehen. Ich war wirklich mehr als stolz darauf, jetzt hieß es noch den Balanceakt zu schaffen, irgendwer war schon weiter, das wusste ich auf Grund der Reaktion des Publikums. Beim Zugriff auf den Slooper verlor ich dann aber leider meine Balance und fiel aus der Route.

Unten angekommen holte mich auch schon Michi ab und kümmerte sich um meine Hand, sie erzählte mir dann auch dass ich Zweite geworden bin. Diana schaffte den Move noch ehe sie aus der Wand fiel. Ich gönnte es ihr natürlich, auch wenn ich etwas enttäuscht war. Dennoch überwog die Freude, dass ich zumindest den Aufsteher geschafft habe und bis zu meinem Sturz wirklich sauber kletterte. Man muss sich halt an den kleinen Dingen festhalten, sonst würde ich wirklich irgendwann mal an der Tatsache der Ungerechtigkeiten in diesem Sport verzweifeln.

Diesmal hieß es für mich noch vielen Athleten zuzusehen und anzufeuern, denn ich war mit der ersten Gruppe dran und somit auch recht schnell fertig. Nur Michi war noch vor mir an der Reihe. Dem konnte ich leider nicht zusehen. Ihm lag die Route nicht so sehr, dennoch belegte er den tollen 6. Platz. Für Daniel lief es leider ein wenig unglücklich, er holte sich Blech. Linda und Edith meisterten die Stelle an der ich gefallen bin sehr gut, für Edith wurde es ein paar Griffe über mir schwierig und Linda konnte sogar fast bis zum Top klettern. Damit sicherten sie sich den 1. (Linda) und 3. (Edith) Platz.

Da fehlten nur noch unsere Rolli Jungs. Es ist ja schon fast eine ungebrochene Tradition dass Gina und Markus den 1. Und 2. Platz belegen oder? So sah es auch diesmal aus, doch dann der Schock. Angelino und Marco werden von dem Head Judge auf die Seite geholt. Wir wussten schnell, irgendwas stimmt nicht. Plötzlich sahen wir ein „disqualifiziert“ auf der Ergebnisliste. Alle waren sprachlos. Was war hier passiert? Der einzige Trost, die Goldmedaille bleibt in Österreich. Markus konnte sich dennoch nicht drüber freuen. Was auch verständlich ist, so will man nicht gewinnen. Aber was ist nun passiert? Angelino hatte starke Kopfschmerzen, aus dem Grund wollte er sich etwas abschirmen und hat die EarPods mit in die Isozone genommen, welche natürlich Bluethooth haben und dadurch nicht erlaubt sind.

Das war erstmal schwer zu verdauen. Aber Angelino konnte es sportlich nehmen. Er hat wirklich nicht dran gedacht und muss nun halt mit der Konsequenz leben.
So beendeten wir den letzten Wettkampf der Saison mit 2 Goldmedaillen und einer Silbermedaille.

Nach dem Bewerb und der Siegerehrung ging es dann zur Aftershowparty in den Ort. Ich verkrümelte mich aber bald, denn ich wollte den doch sehr verkorksten Bewerb lieber mit Ruhe und Gemütlichkeit und Chiara am Gardasee genießen.

Auf den letzten Weltcup der Saison folgte ein Abschlusstrainingslager welches noch 2 Tage lang über die Bühne ging.

Jetzt heißt es erstmal zurück nach Tirol, einen Vortrag halten, Koffer packen und weiter nach Kroatien wo der erste Deep Water Solo Speedbewerb auf uns Paras wartet. Danach ist die Saison aber endgültig abgeschlossen und ich darf mich über einen wohlverdienten Urlaub freuen.

Bild by: IFSC Slobodan Miskovic

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