Neuer Meilenstein: vom Rollifahrer zum Teilzeit-Fußgeher

August 26, 2024by Jasmin Plank2

Endlich darf ich euch meinen neuen Meilenstein enthüllen!
Einige von euch wussten ja bereits, dass ich schon direkt nach meinem Unfall gesagt habe, ich werde wieder GEHEN !
Ein weiteres Kapitel in meiner langen Reihe von: man muss das „UNMÖGLICHE“ versuchen, um das „MÖGLICHE“ zu erreichen. Auch hier wurde mir von Seiten der Ärzte absolut keine Hoffnung gemacht. Wie auch alles gegen mich zu rennen schien. Nach der ersten Reha war auch mir klar, dass dieser Wunsch wohl nicht so schnell in Erfüllung gehen wird. Dennoch war aufgeben nie eine Option.
Nach der zweiten Reha musste auch ich mich damit geschlagen geben, dass ich mich zu sehr in diesen Gedanken verbissen habe, und es einfach noch zu früh ist. Mit meiner damaligen Physiotherapeutin einigte ich mich aber dennoch darauf, alle erdenklichen Dinge zu machen um mich auf das Gehen vorzubereiten. Wie es dann funktionieren sollte war mir selbst ein Rätsel.
Zu Zeiten der Pandemie konzentrierte ich mich dann eine Zeit lang nur noch auf das Klettertraining. Dieser Abstand tat mir richtig gut. Anfang 2022 beschloss ich, einmal meine Wohnung zu misten. Im Zuge dessen stieß ich auf meine Bioness Orthesen. Diese stimulieren elektronisch einen Muskel, der wiederum den Fußheber ansteuert. Sofort kam mir in den Sinn, dass es dazu auch einen Teil für die Oberschenkel gibt. Im gleichen Augenblick sah ich meine Chancen, wieder gehen zu können, als riesengroß. Ich beschloss bei der Firma einen Termin zu machen um zu erkunden, ob dies für mich eine gute Alternative ist.
Im April 2022 hatte ich dann den Termin in Linz. Anne kam mir sofort freudig entgegen und berichtete, dass sie von einer Dame der Firma eingeladen wurde, um für mich die perfekte Versorgung zu finden. Als erstes erzählte ich ihnen meine Geschichte und auch welche Funktionen ich noch vorweisen kann. Im nächsten Schritt testete Tine diese Funktionen aus. Schnell stellte sich heraus, dass das System, auf das ich so viel Hoffnung gesetzt hatte, für mich leider keine Option darstellt. Ich hatte zu wenig Funktionen. Noch dazu triggerte die Stimulation meine Spastik.
Sie zeigte mir dann ein anderes System von Orthesen, die über mein ganzes Bein gehen, und über den Hüftbeuger und den Hüftstrecker gesteuert werden. Mein Problem: ich habe keinen Hüftstrecker. Dennoch lies ich es mir nicht nehmen diese Orthesen zu testen. Was soll ich sagen, ich war sofort verliebt in dieses Gefühl zu stehen und zu gehen. Chiara indessen war irritiert von der neuen Bewegungsart, ist mir bei den Versuchen auf Schritt und Tritt gefolgt, wusste einfach nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte. Blieb aber wie gewohnt eisern an meiner Seite.
Allerdings muss ich auch zugeben, es war harte Arbeit und es hatte recht wenig mit GEHEN an und für sich zutun. Ich hangelte ich mich mehr am Handlauf entlang und bewegte dazu meine Beine. Wobei mir hierbei natürlich die Orthesen halfen. Aber mir wurde eine Option gezeigt, wie ich wieder laufen lernen könnte. Mein Traum schien auf einmal gar nicht mehr so fern.
Sagen wir so, der Traum schien solange nicht mehr so fern bis ich erfuhr, was diese Orthesen kosten würden. Mir war klar, ich kann mir das nie im Leben leisten, außerdem war ich mir sicher, dass meine Krankenkasse niemals bereit sein wird, diese zu bezahlen.
Einige Zeit später traf ich meine Case-Managerin der Krankenkasse. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, ihr von den Orthesen zu erzählen, von meinen Gefühlen, meinem sehnlichsten Wunsch und natürlich von den Kosten. Sie meinte dann einfach drauf: bitte reichen Sie einen Kostenvoranschlag ein und wir werden sehen, was sich machen lässt. Wenn einer die Kosten übernimmt dann wir.
Sie erzählte mir auch, was ich bis zur Genehmigung durchlaufen muss. Es wird zur Reha kommen, wo getestet wird, ob die Orthesen wirklich sinnvoll für mich sind, dann erst entscheidet die Krankenkasse ob ich diese auch bekommen kann. Sie meinte auch, dass dieser Prozess

einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Wie lange es dann im Endeffekt dauern wird, wusste ich bis Dato nicht.
Ich erzählte in der Zwischenzeit meinem Olympiazentrum-Trainer von meinem Wunsch. Dieser unterstütze mich sofort. So bauten wir gleich viele Übungen ein, die meinen Hüftbeuger stärken und meinen Hüftstrecker eventuell zum Leben erwecken lassen könnten. Des weiteren hatte ich einige Beinübungen auf meinem Trainingsplan.
Nach ein paar Monaten war es dann soweit, ich suchte um Reha an. Diese muss in einem AUVA Haus stattfinden. In meinem Fall sollte ich nach Bad Häring. Ich wies meine Hausärztin an, Chiara als Begleitung in den Antrag zu schreiben, damit sie sofort wissen, ich komme nur in Begleitung meines Assistenzhundes. Die Bewilligung folgte innerhalb einer Woche. Nun hieß es auf den Brief der AUVA mit dem Termin des Rehaaufenthaltes zu warten. Die Wochen vergingen wie im Schneckentempo. Nachdem ich 2 Monate später immer noch nichts gehört hatte, beschloss ich mich bei der Einrichtung zu melden. Es war inzwischen Mai 2023. Sie erklärten mir, dass sie erst Ende des Sommers einen Termin haben. Da dieser mit der Weltmeisterschaft kollidierte, einigten wir uns auf September. Kurz vor Rehaantritt kam es zu einem erneuten Telefonat zwischen der Einrichtung und mir. Hier fragte ich dann nach, ob ich etwas beachten muss, weil ich ja Chiara mitbringe. Was nun folgte, war eine reine Nervenschlacht. Der Herr am Telefon teilte mir mit, dass sie nichts vom Assistenzhund wüssten, und dass dieser auch keinen Zutritt bekommen wird.
Nach mehrmaligen Versuchen ihm zu erklären warum ich nicht ohne ihr kommen kann meinte er, er spreche mit dem Chefarzt. Aber auch ein paar Tage später kam wieder die klare Absage mit der Aussage die Aufgaben die ihr Hund erfüllt übernehmen in der Reha die Pfleger. Für mich war klar, so kann ich nicht auf Reha gehen.
Zu Tode betrübt wendete ich mich ein weiteres mal an die Case-Managerin und erzählte ihr von meinem Problem. Sie verstand sofort, dass es für mich nicht möglich ist ohne Chiara in die Reha zu gehen und versprach, sich an die Einrichtung zu wenden. Aber auch sie stieß nur auf Unverständnis.
Einige Zeit und viele Telefonate später kam wieder ein Lichtblick. Meine Case-Managerin organisierte mir einen Platz in der AUVA Einrichtung Tobelbad. Diese sicherten mir zu, dass ich während der Reha mit Chiara in der Übergangswohnung leben kann und ich so die Testungen mit Ruhe hinter mich bringen kann. Auch hier wurde ein Termin fixiert. Dieser sollte dann im April 2024 stattfinden. Ein neuer Lichtblick. Doch auch der sollte mir schnell genommen werden. In Tobelbad war die Testung nicht möglich. Das einzige Haus, das diese Testungen machen kann, ist der Weiße Hof in Wien, und hier ist es wieder unmöglich mit Chiara zu kommen.
Meine Verzweiflung war endlos groß. Ich sah meinen Traum schwinden. Setze mich dann aber doch noch einmal mit der Herstellerfirma in Kontakt und schilderte mein Problem. Diese boten mir dann an, die Testungen in Rum zu machen, um zu sehen, ob ich mit den Orthesen zurecht komme. Denn es sind ja tatsächlich schon Jahre ins Land gegangen, die Technik hat sich geändert.
Die Testung folgte dann im Mai. Ich war so aufgeregt. Das Anziehen der Testorthesen ist wirklich keine einfache Sache. Als ich sie an hatte, freute ich mich einfach nur noch übers ausprobieren. Vom Ergebnis war ich sichtlich überrascht. Nicht nur dass das Gehen am Gehbarren um so vieles leichter ging, nein, ich schaffte es auch, mich mit Krücken fortzubewegen. Meine Beine brauchten zwar schnell Pause, dennoch konnte ich schon ein gutes Stück der vorgegebenen Strecke zurücklegen. Ich war einfach nur HAPPY !
Mein persönliches Highlight war dann aber auch das Stiegen steigen. Als ich auch das mega gut meisterte war ich einfach nur noch überwältigt. Ich wusste ich will diese Dinger. Ich will wieder laufen und den Menschen in die Augen schauen können, stehen wie die Menschen in meinem Leben, einfach nur stehen und gleich groß wie die anderen Erwachsenen sein.
Dank der Hilfe des Herstellers wurden die Videos, die wir dabei gemacht haben, an die Ärztin vom Weißen Hof geleitet. Diese konnte sich dann ein Bild von mir und den Orthesen machen, konnte auch sehen, dass sie funktionieren, obwohl ich nicht alle erforderlichen Funktionen für die

Orthesen habe, es aber über meinen Fitness-Status ausgleichen kann. Sie sah, einfach ausgedrückt, dass es funktioniert. So konnte sie dann auch eine Beurteilung für meine Krankenkasse schreiben. Ich bin dem Chef der Herstellerfirma unendlich dankbar. Kurze Zeit später kam dann die Bewilligung meiner Krankenkasse. Auch ihr bin ich extrem dankbar, dass sie mir dieses Lebensgefühl ermöglicht.
Nun konnte die Reise – wir basteln Jasmin Ersatzfüße – starten. Der Anfang von etwas ganz Wunderbarem. Kurze Zeit später hatte ich einen Termin bei dem Orthopädietechniker der nun für mich verantwortlich war. Beim ersten Termin wurden meine Beine eingegipst um mir Probeorthesen zu bauen. Diese werden dringend benötigt um Druckstellen bei den tatsächlichen Orthesen zu verhindern.
Beim nächsten Termin folgte die erste Anpassung der Probeorthesen. Diese durfte ich dann mit nach Hause nehmen. Ich sollte sie täglich anziehen um Druckstellen zu spüren. Ich unterzog die Orthesen natürlich sofort einem Härtetest, und versuchte in der Physio mit ihnen und einer Wassersäule zu gehen. Was soll ich sagen, es war ziemlich lustig. Die Probeorthesen haben kein Gelenk und somit kannst du dich nur wie ein Pinguin fortbewegen. Es schaut mega witzig aus und ich fand es auch sehr amüsant. Dass die Orthesen nicht ganz für einen Härtetest gemacht sind, hätte mir eigentlich klar sein können, und so kam es auch, dass ich sie ein paar Tage später leider kaputt machte.
Gott sei Dank ging der Schaden schnell und einfach zu reparieren und ich schwor, mich zu bessern. Alles in allem hatten wir dann einige Termine um Druckstellen zu beseitigen. Als sie endlich perfekt waren, kam es zum letzten Termin. Es hieß sich von den Probeorthesn zu verabschieden. Diese wurden eingegoßen, damit man dann meine endgültigen Orthesen machen konnte.
Letzten Montag war es dann soweit! Ich durfte endlich meine Orthesen abholen. Dieses Gefühl war kaum zu beschreiben. Zuerst war ich unsagbar nervös, doch als ich sie so da liegen sah, freute ich mich einfach nur. Wieder ging es an das Einstellen der Othesen. Dann war der entscheidende Augenblick gekommen – ich durfte zum ersten Mal gehen.
Die ersten Schritte waren sehr ungewohnt und ich musste mich erst wieder in das Auslösen reintasten aber schon ein paar Längen und ein paar Schraubendrehungen später lief es wie geschmiert. Wir wagten uns an das nächste Projekt – Stiegen steigen. Hier brauchte ich definitiv ein paar Anläufe mehr. Aber nachdem mich Tine einmal mit Unterstützung die Treppe nach oben geführt hat, hatte ich auch hier den Dreh raus.
Es war definitiv Zeit für eine Pause. Ich war ganz nett geschafft. Es gab auch ordentlich viel zum denken während des Tuns. 🙂
Der letzte Part war dann das Gehen über eine Rampe. Dies lief allerdings im zweiten Anlauf schon ganz gut. Somit wurde ich schliesslich entlassen.
Wer kann erraten wohin mein erster Weg führte? Natürlich in die Kletterhalle. Ich wusste, dass mein Trainer dort ist, und wollte ihn überraschen. Schnell fuhr ich ins Griffelager und von dort aus ging ich dann meinem Trainer entgegen. Es war einfach nur überwältigend. Ich konnte zum ersten Mal seit 6 Jahren jemanden im Stehen umarmen. Dieses Gefühl ist einfach nur unbeschreiblich. Danach ließ ich es mir nicht nehmen, eine kleine Runde im KI zu drehen. Es eröffnet mir eine ganz neue Welt. Es schaut doch alles so anders aus, wenn man es von weiter oben betrachten darf.
Dann ging es ab zu den Eltern, auch Mama und Papa durften gleich bestaunen wie ich nun wieder auf 1,70m vor ihnen stehen kann. Auf dem Nachhauseweg fuhr ich dann noch bei meiner Freundin vorbei. Auch hier genoß ich die erste stehende Umarmung seit wir uns kennen. Es ist so schön, wie sich meine Freunde und meine Familie mit mir freuen.
Für Chiara war es zuerst schwer, sich auf die neue Situation einzustellen, sie beobachtete argwöhnisch die Menschen, die mich umarmten und mit mir weitergingen, so nach der Art- können die auch wirklich auf mein Frauchen aufpassen ? Sie vergaß sogar darauf, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, die Leute zu begrüssen die mich umarmten.

Geschafft aber überglücklich ging es dann aber heim ins eigene Reich. Am nächsten Tag konnte ich es mir einfach nicht nehmen lassen, meine Orthesen den Mädels aus der Klettercommunity zu zeigen. Auch hier war es einfach nur schön, die Mädels stehend zu umarmen und ihnen zeigen zu können wie groß ich eigentlich sein könnte. Ich fand es einfach toll, wie sehr sich die Leute mit mir freuen. Zu guter Letzt musste ich natürlich noch ins OZ und Fabi präsentieren, wie ich laufen kann.
Nun heißt es fleißig üben, denn ich habe noch einiges vor. Der erste Schritt sollte nun natürlich lauten – ohne Krücken – zu gehen und irgendwann, wer weiß, sogar mit den Orthesen Sport machen. Mir fällt da jedenfalls noch einiges ein…….

2 comments

  • Kerstin Mundt-Rakow

    August 27, 2024 at 4:35 pm

    Oh Jasmin, das ist ja so zauberhaft.
    Und Du wirst auch die nächsten „Schritte“ schaffen.
    So wie immer.
    Vielleicht werden wieder ein paar Hürden kommen.
    So wie immer.
    Schlußendlich wirst Du sie alle überspringen.
    So wie immer.
    Ich bin mega stolz auf Dich. 🤗

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    • Jasmin Plank

      August 30, 2024 at 3:44 pm

      Vielen Dank 🥰

      Reply

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